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Das (inklusive) Veränderungspotential Persönlicher Budgets

In europäischen Nachbarländern, wie z.B. in den Niederlanden oder Schweden, sind Persönliche Budgets schon wesentlich weiter verbreitet als bei uns. Dies bewirkt einen teils radikalen Wandel der stationären Strukturen zu flexiblen ambulanten Angeboten.

Mit dem Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf ein Persönliches Budget im Jahr 2008 war auch in Deutschland die Hoffnung verbunden, dass durch eine zahlreiche Inanspruchnahme dieser innovativen Leistungsform ein ähnlicher Veränderungsdruck auf die oftmals starren Strukturen der Behindertenhilfe ausgehen würde.

Trotz der sehr hohen Zufriedenheit der Budgetnehmer auch in Deutschland, die mit Persönlichen Budgets einen Zugewinn an Lebensqualität verzeichnen, beantragt jedoch nach wie vor nur eine verschwindende Minderheit (unter 2 % im Jahr 2010)1 aller berechtigten Menschen mit Behinderung ein Persönliches Budget als Alternative zur Sachleistung.

Das heißt, die Menschen mit Behinderung in der Bundesrepublik Deutschland nutzen ihre Gestaltungsmacht nicht!

Die Ursachen für diese insgesamt enttäuschende Entwicklung sind bei allen drei Beteiligten zu suchen:
Bei den Leistungsträgern fehlen oft Erfahrungen und Routine. Zudem ist es anstrengender und zeitaufwändiger, sich mit einzelnen Menschen mit Behinderung und ihren (berechtigten) individuellen Lebensplänen auseinanderzusetzen, als pauschal mit Einrichtungsträgern zu verhandeln und abzurechnen.

Für manche Leistungserbringer, z.B. für die Träger von Wohnheimen und/oder Werkstätten für Menschen mit Behinderung birgt das Persönliche Budget wirtschaftliche Risiken. Die Auslastungssicherheit geht verloren und Mischkalkulationen, die den unterschiedlichen Aufwand bei verschiedenen Schweregraden von Behinderung ausgleichen, würden nicht mehr funktionieren. Zudem ist es auch für Leistungserbringer aufwändiger, individuelle Leistungen zu erbringen und abzurechnen, als pauschale Vergütungsvereinbarungen mit den Leistungsträgern zu verhandeln und abzuschließen.

Bei leistungsberechtigten Menschen mit Behinderung sind die Möglichkeiten Persönlicher Budgets und der Antragsweg oftmals nicht bekannt und es fehlen kompetente unabhängige Beratungsstellen. Die bürokratischen Hürden werden manches Mal als zu hoch empfunden, zum Teil besteht durchaus Zufriedenheit mit der Sachleistung und/oder es wird die „Sicherheit“ der herkömmlichen Versorgung bevorzugt.

Wir ermutigen jedoch ausdrücklich zur Inanspruchnahme Persönlicher Budgets als Alternative zur Sachleistung!

Eine im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales in Auftrag gegebene Studie ergab eine sehr große Zufriedenheit der Budgetnehmer. Weit über 90 % der Befragten würden wieder das Persönliche Budget anstelle der Sachleistung wählen und das Persönliche Budget weiterempfehlen:

Generelle Zufriedenheit mit dem Persönlichen Budget
Abbildung: Generelle Zufriedenheit mit dem Persönlichen Budget
Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, FB 433, Umsetzung und Akzeptanz des Persönlichen Budgets, S. 44

Für Menschen mit Behinderung ist mit der Antragsstellung und dem Bezug eines Persönlichen Budgets kein Risiko vebunden. Denn die Entscheidung für ein Persönliches Budget ist grundsätzlich reversibel, d.h. das Persönliche Budget kann aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung schriftlich gekündigt werden, wenn eine Fortsetzung nicht zumutbar ist. Im Falle der Kündigung kann der Leistungsberechtigte zur (teil-)stationären Sachleistung zurückkehren. Aufgrund der hohen Zufriedenheit der meisten Budgetnehmer ist dies jedoch der Ausnahmefall.

Um nachvollziehen zu können, wie ein Persönliches Budget in der Praxis aussieht und um zur Antragstellung zu ermutigen, aber auch um auf mögliche Schwierigkeiten hinzuweisen, stellen wir nachfolgend ein Praxisbeispiel aus dem Nürnberger Land vor.




1Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2012): FB 433, Umsetzung und Akzeptanz des Persönlichen Budgets – Endbericht -